Stadtökologie

Kurztext Stadtökologie


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In Siedlungen finden sich vielfältige Lebensräume, die zahlreiche Tiere und Pflanzen beherbergen. Ein abwechslungsreiches Mosaik aus kleinräumigen Strukturen und Kleinstbiotopen bietet vielen Arten (Ersatz-)Lebensräume, die deren ursprünglichen Habitaten sehr ähnlich und im Umland kaum noch oder gar nicht vorhanden sind. Für viele Tierarten stellt die Stadt einen wichtigen Zufluchtsort dar.

Öffentliche Grünflächen und Gärten tragen zur Verbesserung der Luftzirkulation und des Wasserhaushalts bei. Darüber hinaus mildern sie Temperaturextreme ab. Bäume filtern Staub und Abgase aus der Luft, bieten Schatten, erhöhen die relative Luftfeuchtigkeit, reduzieren das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) und produzieren Sauerstoff. Bei der Aufnahme des CO2 verliert der Baum viel Wasserdampf. Dabei entzieht er seiner Umgebung Wärme für die Verdunstung, so dass an heißen Sommertagen eine wohltuende Verdunstungskühlung spürbar ist.

Die Raupen des dämmerungs- und nachtaktiven Pappelschwärmer (Laothoe populi L.) bevorzugen die Blätter der Zitterpappel (Populus tremula L.) und der Silberpappel (Populus alba L.), während er als erwachsenes Tier (Imago) keine Nahrung aufnimmt.


Die Station Stadtökologie besteht aus 5 Standorten, die Ihnen einige Beispiele für wichtige Lebensräume in Hardegsen näher bringen.

Steinbreite GPS 51°38’59.499″N 9°49’29.096″E

Von Ihrem Standort führt ein Weg hinauf zum „Reisemobilhafen Hardegsen“. Gleich am Anfang fallen die auf den Felsen wachsenden Flechten auf, die hier weiße kreisförmige Flecken bilden. Flechten stellen eine symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen Pilzen und Algen bzw. Cyanobakterien dar.
Während der Pilz Wasser aufnimmt und für den Halt am Untergrund sorgt, produzieren die Algen mittels der Fotosynthese organische Substanzen (Zucker, Stärke). Daneben sind hier auch noch der gelb blühende Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre L.) und der blassrosafarbene, köpfchenförmige Blütenstände ausbildende Hasenklee (Trifolium arvense L.) zu entdecken.

Beeindruckend ist der Bestand an alten Lindenbäumen. Von allen einheimischen Laubbäumen blühen die Linden als letzte im Jahr. Die Blüten, die viel Nektar absondern, werden von Bienen, Hummeln und zahlreichen anderen Insekten bestäubt. Zu den Vertretern aus der Ordnung der Schmetterlinge, die an den Lindenblättern leben, sind die Linden-Gelbeule (Tiliacea citrago L.), der Mondfleck (Phalera bucephala L.), der Lindenschwärmer (Mimas tiliae L.), der Linden-Blütenspanner (Eupithecia egenaria Herrich-Schäffer) und die Trapezeule (Cosmia trapezina L.) zu nennen. In großer Zahl kann man zeitweise unter den Bäumen die gesellig lebenden, auffällig gefärbten Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus L.) finden. Sie leben überwiegend am Boden und saugen bevorzugt an den Samen der Linden.

Linden sind langsam wachsende Bäume, die ein sehr hohes Alter erreichen können. So wird die Winterlinde bis zu 1.000 und mehr Jahre, die Sommerlinde mehrere 100 Jahre alt.

Kaum eine zweite einheimische Baumart hat in früheren Zeiten dem Menschen näher gestanden als die Linde. Sie war Mittelpunkt des dörflichen Lebens und z.B. auf Plätzen, an Friedhöfen, Kapellen, Brunnen und als Gerichtslinde an Burgen oder beherrschenden Anhöhen zu finden. Die tiefe Verwurzelung der Linde in der Bevölkerung spiegelt sich auch in zahlreichen Sagen und Volksbräuchen ebenso wie im Liedgut und in der Dichtkunst wider.

Wenn Sie den Wohnmobil-Stellplatz erreicht haben, fällt eine Hainbuche auf, die in einem durch Steine eingefassten Beet wächst. Die Hainbuche (Carpinus betulus L.) gehört zur Familie der Birkengewächse. Wegen ihrer Schnittverträglichkeit und ihres Ausschlagvermögens war sie eine beliebte Baumart der Niederwälder. Dabei handelte es sich um Wälder, deren Bäume regelmäßig direkt über den Wurzeln abgeschnitten wurden. Dieses Vorgehen diente zur Brennholzgewinnung und geht auf vorgeschichtliche Zeit zurück. Weitere typische Gehölze der Niederwälder waren die Linde und die Hasel.

Der Abschnitt der Straße „Steinbreite“, der zum Reisemobilhafen führt, durchquert Felsgestein des Mittleren Buntsandsteins. Während der nackte Fels von Moosen und Flechten besiedelt wird, können sich in Rissen und Spalten auch andere Pflanzen ansiedeln. Typische Vertreter sind Farne, wie der Tüpfelfarn (Polypodium vulgare L.) und der Zerbrechliche Blasenfarn (Cystopteris fragilis (L.) Bernh.).


Parkplatz am Sportplatz GPS 51°39’14″N 9°49’42″E

An diesem Standort fällt sofort die mächtige Eiche (Quercus robur L.) auf, die auf dem Spielplatzgelände wächst.

Die Eiche wird von besonders vielen Lebewesen besiedelt und leistet einen großen Beitrag zur Biodiversität.

Unter den zahlreichen blattfressenden Insekten ist der Eichenwickler (Tortrix viridana L.), ein Schmetterling, besonders hervorzuheben, da seine Raupen oft für den Kahlfraß ganzer Bäume verantwortlich sind. Die Eichen können den Blattverlust durch einen erneuten Laubaustrieb ausgleichen.

Ein weiterer Falter, der ausschließlich an Eichen lebt, ist die Graubraune Eichenbuscheule (Xanthia ruticilla Esper).

Eicheln dienen verschiedenen Tieren als Nahrung und vor allem Eichhörnchen und Eichelhäher (Hähersaaten) sorgen durch die Anlage von Nahrungsdepots für die Verbreitung der Eichen.

Eichen sind äußerst langlebig und können 500 bis 800 Jahre – einzelne Exemplare sogar über 1.000 Jahre – alt werden. Von alters her hat die Eiche eine große Bedeutung für den Menschen gehabt. Sie galt lange Zeit als heilig und war Göttern geweiht. Von Eichen umsäumte Plätze dienten als Gerichts- und Beratungsstätte. Die Eiche symbolisiert Kraft und Macht, so dass sich in vielen Wappen Abbildungen des Baumes, der Blätter oder Früchte finden.

Eine weitere Baumart, die hier durch ihre weiß-schwarze Rinde auffällt, ist die Hänge-Birke (Betula pendula Roth).
Die Pollen der Birke stellen eine wichtige erste Nahrungsquelle für Honigbienen dar. Zahlreiche Insekten (z.B. Blattwespen, Käfer, Schmetterlinge, wie der Birkenspanner, und Wanzen) ernähren sich von den Blättern, Früchten, Knospen, Samen und der Rinde. Birkenzeisige sind den Winter über sogar auf die Birkensamen angewiesen. Der Baumsaft enthält bis zu 2% Zucker.
In der Heilkunde werden die Blätter und Blattknospen als Aufgüsse eingesetzt. Birkensaft findet seine Anwendung vor allem in Haarwasser oder Shampoo. Aus der jungen Rinde wurden früher z.B. Umhänge, Matten, Taschen und Behälter hergestellt.

Nördlich Ihres Standortes befindet sich eine Brücke, die den Fluss Espolde überquert. Die Ufer des Fließgewässers sind überwiegend mit Erlen bewachsen. Die Schwarzerle (Alnus glutinosa (L.) Gaertn.) ist eine typische Baumart feuchter Standorte und verträgt, abgesehen von manchen Weiden, die meiste Bodennässe. Sie ist somit ein charakteristischer Baum an Fließgewässern und deren Auwäldern. An den Wurzeln befinden sich Knöllchen, die durch ein Bakterium hervorgerufen werden. Diese Bakterien sind in der Lage, Stickstoff direkt aus der Luft zu binden und in den Wurzelknöllchen zu speichern. Im Gegenzug (symbiotische Lebensweise) erhalten die Bakterien Kohlenhydrate vom Baum. Durch diesen Vorteil kann die Schwarzerle auch sehr nasse Standorte mit schlechter Nährstoffversorgung erobern. Ihr Laub trägt zur Bodenverbesserung bei, da es sehr stickstoffreich ist und schnell zersetzt wird.

In den Bereichen der Espolde, die durch periodisch auftretende Überschwemmungen beeinflusst sind, kann sich eine einzigartige Strukturvielfalt ausbilden. Charakteristisches Merkmal natürlicher Fließgewässer und ihrer Auen ist eine durch die Strömung bestimmte vielfältige, sich räumlich und zeitlich ständig verändernde Gewässerstruktur. Prallhänge, Uferabbrüche und Kolke sind sichtbare Beispiele für kleinräumige Erosionsvorgänge, Gleithänge und Inselbildungen für Sedimentation. Nur wenn klein- und großräumig eine große Anzahl unterschiedlichster Strukturen vorhanden sind, kann sich eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt ansiedeln.
Die Espolde hat eine positive Wirkung auf das Stadtklima, denn sie bildet eine wichtige Frischluftschneise.

Für den Espoldeabschnitt westlich der Brücke befand sich in den 1970er Jahren ein kleiner Teich. Dieser entstand durch die Aufstauung des Fließgewässers. Da sich dort regelmäßig zwei Schwäne aufhielten bekam er den Namen „Schwänchenteich“.


Karl-Lechte-Weg (Wachturm) GPS 51°39´73´´N 9°49´42´´E

Der restaurierte Wachturm ist Teil der alten Stadtmauer, von der noch ein kleiner Abschnitt vorhanden ist. Natursteinmauern als innerörtliche Anlagen besitzen einen großen ökologischen Wert. Aufgrund ihrer mikroklimatischen Bedingungen bieten sie auf engstem Raum in unterschiedlichen Bereichen (Mauerkrone, Mauerfläche, Mauerfuß) zahlreichen Pflanzen und Tieren mit verschiedenen Ansprüchen Lebensraum und Rückzugsgebiete. Ihre Besiedlungsmöglichkeit ist dabei aber stark von der Anzahl und Größe der Fugen, die in der Mauerfläche vorhanden sind, abhängig.

Obwohl die am gegenwärtigen Standort vorhandene Mauer am Wachturm überwiegend mit Mörtel verfugt ist, finden sich doch zahlreiche Spalten und Löcher, in denen sich im Laufe der Zeit durch Windverfrachtung Erdreich abgesetzt hat. Hier können nur Gewächse gedeihen, die auch Phasen extremer Hitze und Trockenheit überstehen. Auch an dem Gemäuer der alten Burganlage weiter westlich an der Straße „Am Hagen“, das aus groben Natursteinblöcken besteht, haben sich einzelne Pflanzen, wie z.B. die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria L.) und die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia L.), angesiedelt.

Im Bereich der nördlichen Einfahrt auf das Burggelände wachsen einige stattliche Buchen.
Die Rotbuche (Fagus sylcatica L.) ist in Mitteleuropa der wichtigste bestandsbildende Laubbaum. Die Früchte der Buche werden als Bucheckern bezeichnet und von Eichhörnchen, Siebenschläfern, Tauben, Eichelhähern und Bergfinken verbreitet. Auf der Blattoberseite der Buchenblätter finden sich manchmal zugespitzt-eiförmige, 8-10 mm lange kahle, blassgrün bis rötlich gefärbte Gebilde, die von der Buchenblattgallmücke (Mikiola fagi Hartig) hervorgerufen werden.

Das Wort Buch leitet sich von Buche ab, da früher auf dünnen Buchenholztafeln geschrieben wurde.


Am Kleekamp GPS 51°39´11´´N 9°49´21´´E

Die Straße „Am Kleekamp“ führt von dem bebauten Stadtbereich Hardegsens in Richtung Tierpark. Besonders im siedlungsnahen Abschnitt stehen einige alte Apfelbäume. Erfreulicherweise wurden später auch mehrere junge Exemplare angepflanzt. Der Apfel kam in der Antike über alte Handelsstraßen aus Asien nach Süd- und Osteuropa, wo er von den Römern und Griechen kultiviert wurde. Aus Südeuropa gelangte der Apfel dann mit den römischen Feldzügen um rund 100 vor Christus nach Mittel- und Nordeuropa. In Deutschland sind über 2.000 Apfelsorten bekannt.

Von der Wurzel über den borkigen Stamm, den dicken Ästen und dünnen Zweigen, dem dichten Blattwerk, den Höhlen und abgestorbenen Teilen bieten Obstbäume vielen Tierarten Unterschlupf, Fortpflanzungs- und Nahrungsmöglichkeiten.

Weitere Baumarten entlang der Straße sind Eichen (Quercus robur L.; Quercus petraea (Matuschka)Liebl.), die Hainbuche (Carpinus betulus L.), die Grauerle (Alnus incana (L.) Moench), der Feldahorn (Acer campestre L.) und der Bergahorn (Acer pseudoplatanus L.). Die Bestäubung der Blüten des Letztgenannten erfolgt durch Bienen und Fliegen, die den offen dargebotenen Nektar aufnehmen.

Einige Vogelarten, speziell aber Gimpel, Kirschkernbeisser oder Meisen nehmen gerne den zuckerhaltigen Saft aus den verletzten Stellen des Baumes zu sich.

Zahlreiche Insektenarten leben am Bergahorn, wie z.B. die Ahorn-Rindeneule (Acronicta aceris L.) und der Ahorn-Zahnspinner (Ptilodon cucullina Denis & Schiffermüller), zwei Nachtschmetterlinge, deren Raupen die Blätter fressen.


Grünflächen GPS 51°38´55.208´´ N 9°49´18.094´´E

In der Stadt bilden Gärten, Parks, Säume und Abstandsgrün sowie der Friedhof ein Mosaik von Lebensräumen. Das vielfältige Angebot an Grasflächen, Stauden, Sträuchern und Bäumen auf engem Raum bietet vielen Wildtieren eine sichere Heimstätte.

So sind viele Vogelarten, wie z.B. Amsel, Grünspecht und Buntspecht, aber auch Säugetiere, wie das Eichhörnchen, der Igel oder der Waschbär, typische Vertreter des Siedlungsraums. Werden Grünflächen naturnah gepflegt, entwickeln sie sich zu Lebensräumen für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren.

Wichtig ist eine höhere Toleranz gegenüber Wildpflanzen, um Insekten ein reichhaltiges Blütenangebot zu eröffnen. Denn diese Tiergruppe hat als Bestäuber und Teil der Nahrungskette eine herausragende Bedeutung. Das Fehlen von Nektar und Pollen bietenden Blüten (z.B. auf reinen Rasenflächen) trägt dazu bei, dass sowohl die Gesamtmenge an Insekten als auch die Vielfalt an Insektenarten stark abnimmt.

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