Wald der Märzenbecher

Kuztext Wald der Märzenbecher


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Sie befinden sich an der Stelle, an der am 12.08.1919 eine Winterlinde (Tilia cordata Mill.) zum Gedenken an den Friedensschluss des Ersten Weltkrieges gepflanzt wurde. Die sog. Friedenslinde steht im westlichen Randbereich eines Laubwaldes auf dem Gladeberg und ist 1963 als Naturdenkmal unter Schutz gestellt worden. Dieser Status wurde 2014 neu verordnet.

Laut § 28 des Bundesnaturschutzgesetzes in Verbindung mit § 21 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz können einzelne Naturerscheinungen, die aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundigen Gründen bzw. wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit besonderen Schutz bedürfen, zu Naturdenkmälern erklärt werden.

Auf Länderebene können die Naturschutzbehörden mittels Verordnungen alle Handlungen verbieten, die ein Naturdenkmal oder seine geschützte Umgebung zerstören, beschädigen oder verändern. Auch entsprechende Flächen – bis zu einer Größe von 5 ha – können auf diese Weise unter Schutz gestellt werden.

Eine Bank vor der Friedenslinde lädt zum Verweilen ein.


Der Untergrund des Gladeberges besteht aus Gesteinen des Oberen und Mittleren Muschelkalks. Es haben sich kalkhaltige, flachgründige Böden mit humosem Oberboden entwickelt, die als Rendzina bezeichnet werden.

Sie bieten eine gute Grundlage für Laubwald, der hier vor Ort vorwiegend aus Rotbuchen (Fagus sylvatica L.) besteht. Als weitere Baumarten kommen Hainbuchen (Carpinus betulus L.), Wildkirschen (Prunus avium L.), Berg-Ahorne (Acer pseudo platanus L.) und Bergulmen (Ulnus glabra Huds.) vor.

Der Baumbestand im Umfeld Ihres Standortes wurde bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts als Niederwald bewirtschaftet, aber in der Folgezeit durch Anpflanzungen und Saat in einen Hochwald umgewandelt. Niederwälder entstehen durch eine traditionelle Nutzungsform von Laubwäldern, bei der die Bäume alle 15 bis 25 Jahre abgeholzt („auf den Stock gesetzt“) wurden. Der Hieb erfolgte oberhalb des Erdbodens, so dass sich die Bäume aus den verbliebenen Wurzelstöcken und Stümpfen wieder regenerieren konnten. Mit der Zeit entstanden dadurch niedrige Wälder aus Bäumen mit jeweils mehreren, vergleichsweise dünnen Stämmen von bis zu 10 m Höhe. Über einen langen Zeitraum waren Niederwälder relativ weit verbreitet; überwiegend, um Brennholz zu gewinnen. Mit zunehmender Industrialisierung verloren sie jedoch ihre Bedeutung und wurden aufgegeben oder in den heute üblichen Hochwald umgewandelt.

Etwa in einer Entfernung von 1,5 km (GPS 51° 37′ 7.1″ N 9° 49′ 27.4″ E) von Ihrem Standort befindet sich eine weitere interessante Stelle, an der Hainbuchen (Carpinus betulus L.), in Anlehnung an eine Jahrhunderte alte Tradition der Nutzung dieser Baumart als sog. Kopfhainbuchen, bei einem Stammdurchmesser zwischen 5 und 10 cm in etwa 2 m Höhe abgeschnitten wurden. Bei dem anschließenden regelmäßigen Schneiteln, wie es in der Fachsprache heißt, wurden die drei- bis vierjährigen Äste samt Laub abgeschlagen getrocknet und im Winter als Einstreu in den Stallungen verwendet. Im Sommer kamen sie als Dünger auf die Felder. Das Holz älterer Äste diente als Werkstoff. Die Einführung der Kopfholzwirtschaft ist auf die massiven frühmittelalterlichen Rodungen der natürlichen Waldbestände und den dadurch verursachten Holzmangel zurückzuführen.


In den angrenzenden Bereichen von der Friedenslinde und besonders im nördlich gelegenen Breitebusch, aber auch im Umfeld der Kopfhainbuchen, bilden im zeitigen Frühjahr unzählige Märzenbecher (Leucojum vernum L.) weiße Blütenteppiche. Die Vorkommen am Gladeberg waren bis 2007 als flächiges Naturdenkmal geschützt. Der Märzenbecher (Leucojum vernum L.), auch Frühlingsknotenblume genannt, ist eine ausdauernde Zwiebelpflanze, die im Frühjahr ab Februar bis in den April hinein blüht. Sie wird von Bienen und Tagfaltern bestäubt, die in den Blüten eine frühe Nahrungsquelle finden. Die 10-30 cm hohe Pflanze ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt und gilt in Niedersachsen als gefährdete Art.

Obwohl sie giftig ist, wurde sie früher als Heilpflanze genutzt. Frühblüher im Wald nutzen die Zeit vor der Belaubung der Bäume. Nur in der kurzen Zeitspanne, bis sich das Blätterdach über ihnen schließt, erreichen sie genug Sonnenlicht für den Prozess der Photosynthese.

Als Überdauerungsorgane dienen bei den Frühblühern entweder Knollen, Zwiebeln oder Rhizome (Wurzelstöcke). Bei letzterem handelt es sich um eine unter der Erde oder dicht über dem Boden wachsende, mehrere Winter überdauernde Sprossachse, von der nach unten die eigentlichen Wurzeln, nach oben die Blatttriebe ausgehen. Mit Hilfe dieser Organe speichern die Pflanzen Vorratsstoffe, wie z.B. das Kohlenhydrat Stärke, um im Frühling rasch aus dem Boden zu sprießen. Ebenfalls hier vorkommende Pflanzen sind das Buschwindröschen (Anemone nemorosa L.), das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis L.), die Haselwurz (Asarum europaeum L.), die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior (L.) Hill), der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum L.), die Türkenbundlilie (Lilium martagon L.), der Wald-Goldstern (Gagea lutea (L.) Ker Gawl.), die Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum L.), der Gemeine Efeu (Hedera helix L.) und verschiedene Orchideen.

Weitere typische Gewächse, die an anderen Orten auf vergleichbaren kalkhaltigen Böden wachsen, sind die Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria Med.), das Leberblümchen (Hepatica nobilis Mill.), die Akelei (Aquilegia vulgaris L.), die Tolllkirsche (Atropa belladonna L.), der Bärlauch (Allium ursinum L.) und der Seidelbast (Daphne mezereum L.).


Der gesamte hier beschriebene Bereich des Gladeberges ist Teil des großflächigen Fauna-Flora-Habitats Weper, Gladeberg, Aschenburg. Solche Schutzgebiete werden aufgrund einer entsprechenden FFH-Richtlinie der EU ausgewiesen (siehe Station Südlicher Gladeberg/Weinberg).

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