Agrarlandschaft im Wandel

Kurztext Agrarlandschaft im Wandel


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Von Ihrem Standort haben Sie einen weiten Blick über die seit Jahrhunderten durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägte Landschaft. In der Landwirtschaft hat sich im Laufe der Zeit ein weitreichender Wandel vollzogen, der auch das Erscheinungsbild der Landschaft grundlegend verändert hat.

Blick über das Dorf Lutterhausen hinweg in das weite Leinetal


Im Hochmittelalter (900-1200 n. Chr.) wurde die Zweifelderwirtschaft (d.h., im Wechsel bauten die Bauern/Bäuerinnen auf einer Hälfte der Anbaufläche Getreide an, auf der anderen Hälfte lag das Land ein Jahr brach) durch die Dreifelderwirtschaft (d.h. wechselnder Anbau von Wintergetreide, Sommergetreide und Brache) abgelöst.

Zusätzlich konnten durch den Einsatz von Pferden (Entwicklung spezieller Geschirre) statt Ochsen und der Verwendung von Eisenpflügen die landwirtschaftlichen Erträge deutlich gesteigert werden. Dies schuf die Grundlage für ein starkes Bevölkerungswachstum in Europa, das erst durch die Pestwelle in der Mitte des 14. Jahrhunderts zum Erliegen kam. Vor allem im Zusammenhang mit der Verbreitung der Kartoffel in Deutschland zwischen dem 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Äcker zunehmend im dritten Jahr nicht mehr brach liegen gelassen, sondern stattdessen Kartoffeln, Klee oder Futterrüben angebaut.

Die Bauernbefreiung von 1807 in Preußen, die die bäuerliche Leibeigenschaft aufhob und die Möglichkeit eröffnete, Pachtverträge untereinander abzuschließen, sowie die Erfindung des Mineraldüngers durch Justus von Liebig in den 1840er Jahren bewirkten in Deutschland geradezu eine agrarische Revolution.

Zwischen dem Ende des 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderten sich damit die Produktions- und Wirtschaftsmethoden radikal.

Das Dorf stellte lange den Lebensmittelpunkt der Menschen dar. Ohne maschinelle Hilfsmittel musste die Arbeit mit Muskelkraft von Tier und Mensch erledigt werden. Zumeist wurden Ochsen vor die Wagen und Pflüge gespannt, weil sich gewöhnlich nur Großbauern Pferde leisten konnten.

Für die Getreideernte wurden viele Hände benötigt; Frauen und Kinder waren wichtige Helfer. Nach der Mahd mit Sichel oder Sense mussten die Halme zu Garben gebunden werden. Diese wurden, nachdem sie getrocknet waren, auf Wagen geladen, um sie zur Hofstelle zu bringen, wo das körperlich sehr anstrengende Dreschen mit Hilfe von Dreschflegeln stattfand.

Bei den Hackfrüchten, wie der Futter- und Zuckerrübe, musste vom Säen bis zur Ernte und dem Verladen der Früchte lange alles in mühsamer Handarbeit erledigt werden. Zwischen den Reihen musste immer wieder gehackt werden, um die unerwünschten Beikräuter zu entfernen. Zur Erleichterung der Zuckerrübenernte wurden bis in die 1920er Jahre mehrere Maschinen gebaut, die entweder das Köpfen übernahmen oder dem Roden dienten und von Pferden oder Ochsen gezogen wurden. Heute übernehmen Rübenvollernter alle Arbeitsschritte der Ernte.


Mit der beginnenden Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts hielt auch die Dampfmaschinentechnik Einzug in die Landwirtschaft. Erste Dampfpflüge und Dreschmaschinen wurden entwickelt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden erste Versuche mit motorbetriebenen Zugmaschinen gemacht. Aber erst in den 1950er Jahren setzten sich Traktoren durch.

Die Flurbereinigungen, die der Beseitigung der unwirtschaftlichen Zersplitterung der Besitzflächen dienten, schufen große Ackerflächen für die Arbeit mit modernen Maschinen.

Ende der 1950er Jahre übernahmen dann auch Mähdrescher in zunehmendem Umfang die Getreideernte. Die Technisierung in der Viehhaltung und Überschüsse aus dem Ackerbau ermöglichten eine deutliche Vergrößerung der Tierbestände. Konnte man früher nur so viele Tiere halten, wie man von seinem Land ernähren konnte, stand nun zunehmend Futter auch durch die Zukaufsmöglichkeit von Importfuttermitteln für die Tierhaltung zur Verfügung. Damit war die Viehhaltung von der betrieblichen Eigenerzeugung der Futtermittel entkoppelt.

Durch all diese Veränderungen nahm die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte drastisch ab, Zugtiere wurden nicht mehr benötigt.

Der landwirtschaftliche Erwerbstätigenanteil in Deutschland betrug Anfang der 1950er Jahre 24 % und sank bis zum Jahr 2017 auf nur noch 1,4 %.


Die voranschreitende Mechanisierung, verbunden mit dem Einsatz von Mineraldünger (vornehmlich technisch gewonnener Stickstoff) und Pestiziden (Sammelbegriff für chemische Pflanzenschutzmittel) ermöglichten eine zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft mit einer deutlichen Steigerung der Erträge.

Diese Entwicklung ist mit gravierenden ökologischen Veränderungen verbunden. Größere Ackerschläge und der Ausbau der Wirtschaftswege führten dazu, dass die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft erheblich abgenommen hat und sich die Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere deutlich verschlechtert haben.

Feldgehölze und Hecken stören bei der Bewirtschaftung mit modernen Maschinen und werden entfernt. Wegränder fallen durch ihre frühe Mahd als wichtige Lebensräume aus. Zusätzlich werden sie durch Spritzmittel, die auf den Feldern versprüht werden, in Mitleidenschaft gezogen.

All das hat gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Die Masse der Insekten ist in Deutschland stark zurückgegangen. Vögel und Säugetiere, die auf diese Tiergruppe als Nahrung angewiesen sind, leiden darunter. Die Vögel der Agrarlandschaft sind in den letzten Jahrzehnten besonders stark von Bestandsrückgängen betroffen.


Der ökologische Landbau, der seit den 1970er Jahren stetig zunimmt, versucht den negativen Entwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft entgegenzuwirken.

Dabei wird eine ganzheitliche Form der Landbewirtschaftung umgesetzt, die das Kreislaufprinzip innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes in den Vordergrund stellt und z.B. auf Mineraldünger (insbesondere Stickstoff) und den Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel verzichtet sowie eine artgerechtere Tierhaltung praktiziert. Gentechnisch veränderte Pflanzen werden nicht eingesetzt.

2017 betrug der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche jedoch nur 8,2 %.
Auch die konventionelle Landwirtschaft soll durch Steuerungselemente der Agrarpolitik inzwischen gezielt dazu angehalten werden, nachhaltiger und umweltschonender zu wirtschaften.

Im Zuge der Agrarreform von 2015 wurde die bisherige Betriebsprämie für Landwirt*innen durch eine Basis- und Greeningprämie ersetzt. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der letztgenannten Prämie ist die Erfüllung von drei Bedingungen:
Anbaudiversifizierung, Erhalt von Dauergrünland und Vorhaltung von ökologischen Vorrangflächen (z.B. Brachen, Feldränder, Streifen am Waldrand, Flächen mit Leguminosen oder Zwischenfrucht, Landschaftselemente).

Ab 2018 dürfen auch die Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.) und das Chinaschilf (Miscanthus sinensis Andersson) auf den Vorrangflächen wachsen, die mindestens 5% der landwirtschaftlichen Fläche eines Betriebes – ausgenommen Dauergrünland und Dauerkulturen – einnehmen müssen.


Eine neue Perspektive für Landwirt*innen bietet der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen. Darunter fallen die Industriepflanzen, die z.B. zur Gewinnung von Stärke, Zucker, Öl, Fasern, Arznei- und Farbstoffen dienen.

Die breitere Palette an blühenden Pflanzen können vielen Tierarten neue Nahrungsplätze in der ausgeräumten Agrarlandschaft bieten. Den Hauptanteil an den nachwachsenden Rohstoffpflanzen machen allerdings die Energiepflanzen zur Biogas- und Biokraftstoffproduktion (Mais, Zuckerrüben, Raps) aus, die zwar dem Verbrauch fossiler Rohstoffe entgegen wirken und bei der energetischen Nutzung weniger Treibhausgase frei setzen, aber aus ökologischer Sicht äußerst bedenklich sind.

Auf etwa einem Drittel der landwirtschaftlich als Ackerland genutzten Fläche Niedersachsens wurde 2016 Mais angebaut, wovon wiederum rund ein Drittel als Energiepflanze für die Befüllung von Biogasanlagen diente. Die anderen zwei Drittel werden als Silomais an Vieh verfüttert oder in geringem Umfang als Körnermais geerntet.

Monokulturen aus Mais schaden aber der ökologischen Vielfalt, da nur wenige Insekten und Vögel hier Nahrung finden. Einige Arten, wie der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis Hübner), die Fritfliege (Oscinella frit L.) und der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera LeConte) finden allerdings ideale Bedingungen vor und vermehren sich explosionsartig, was den Einsatz von Insektiziden nötig macht. Gleichzeitig bedingt der Maisanbau die Verwendung von Herbiziden (Beseitigung von störenden Beikräutern) und Düngemitteln.

Als zusätzliches wirtschaftliches Standbein bauen viele Landwirt*innen Sonderkulturen (z.B. Erdbeeren, Spargel, Erbsen) an.


Die novellierte Fassung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) aus dem Jahre 2004 hat zu einem sprunghaften Anstieg der Biogasanlagen in Deutschland geführt. Das Gesetz regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert deren Erzeuger*innen feste Einspeisevergütungen.

Ab dem 1. Januar 2017 wird die Vergütung des Stroms aus erneuerbaren Energien über Ausschreibungen geregelt. Bestandsbiogasanlagen können in Ausschreibungen für eine Anschlussförderung mit einer festen Prämie für weitere zehn Jahre mitbieten. Ab 2012 ist in das EEG ein „Maisdeckel“ eingebaut, der für alle neu erstellten Biogasanlagen die anteilig eingesetzte Masse von Mais und sonstigem Getreide auf maximal 60 % begrenzt.

Nach dem neuen EEG 2017 darf pro Anlage nur bis zu 50 % Getreide und Mais eingesetzt werden. Bis 2021 soll der Anteil in zwei Stufen weiter auf 44 Prozent sinken.

Vor allem im Zusammenhang mit einer steigenden Nachfrage nach Anbauflächen für Pflanzen zur Bioenergieerzeugung steigen die Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen stetig an, da sich Ackerland zu einem interessanten Kapitalanlageobjekt entwickelt hat. Niedrige Zinsen sowie langfristig positive Renditeerwartungen in der Land- und Forstwirtschaft sind als wesentliche Gründe anzusehen. In Niedersachsen sind die Flächenpreise zwischen 2007 und 2016 um 136 % gestiegen.

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